Lucian Loosen über die Mythologie von Shiva und Shakti
Lucian über die Ikonographie und Mythologie des urweiblichen Prinzips (Shakti) und des urmännlichen Prinzips (Shiva) im indischen Raum:
Auf vielen Thangka (Wandbehänge) sind Shakti und Shiva dargestellt. Der Körper von Shakti ist rot und versinnbildlicht dynamische Weiblichkeit, die schöpferische Kraft, Leidenschaft und sinnliche Energie, die die eigentlichen Qualitäten von Shakti sind. Sie bringt den ständigen Evolutionsprozeß des Kosmos in Gang. Der Kosmos selbst ruht; er verhält sich so passiv wie Shiva. Nur im Zusammenspiel mit der weiblichen Shakti kann er sich entwickeln und seine unendliche Vielfalt von Schöpfungen und Zerstörungen hervorbringen.
Deswegen ist Shakti die Verkörperung aller Energie. Ohne sie würde jede männliche Gottheit zur Leblosigkeit erstarren. Von allen Göttern ist ihr insbesondere Shiva zugetan; vielleicht weil er als “Rudra-Shiva” eine sehr alte, vorarische Gottheit ist, also “naturhaft” genug, mit der “Schöpferin der Welt” (jagadmatr) eine Verbindung einzugehen. Shiva ist Shakti nicht überlegen. Als ruhendes, unveränderliches Bewußtsein (purusa) tritt er erst durch die aktive Urnatur (prakrti) in Erscheinung. Die Göttin ist gleichwertige Partnerin.
Da die Shakti erst sehr spät als eigenständige Erscheinung in das hinduistische Götterpantheon aufgenommen, zugleich aber mit unzähligen lokalen Göttinnen identifiziert wurde, steht der Betrachter und Gläubige vor einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt von Göttinnen mit den verschiedensten Bezeichnungen, ausgerüstet mit einer Vielzahl möglicher Attribute.
Oft erscheint sie im Lotussitz. Sie trägt das Auge der Weisheit und reichen Schmuck, der aus Goldgeschmeide und zugleich auch aus einer Girlande abgeschlagener Menschenschädel besteht – ein Symbol dafür, daß sie friedliche und schreckliche Wesenszüge in sich vereint. Der Lotussitz deutet an, daß sie in tiefer Kontemplation verweilt. Das Auge der Weisheit in der Mitte ihrer Stirn unterstreicht dies, denn sein “unverhülltes Sehen” ist hauptsächlich nach innen gerichtet, ein Zeichen “ewiger Kontemplation”. Wenn dieses Auge der Weisheit dagegen nach außen gerichtet ist, wirkt es zerstörerisch oder – besser gesagt – transformierend, denn es hebt dann die Dualität der Erscheinungen auf.
In ihren vier Händen hält Shakti auf manchem Bild: Stachelstock (ankusa, in der rechten oberen Hand); Pfeile (bana, in der rechten unteren Hand); Schlinge (pasa, in der linken oberen Hand) und Bogen (dhanus, in der linken unteren Hand).
Der Stachelstock bedeutet, daß sie in all ihren Tätigkeiten Recht und Unrecht unterscheiden kann. Da er ein Attribut kriegerischer Götter ist, unterstreicht er hier überdies die furchtbare und “rasende” Seite der Shakti. Die Schlinge fesselt jede Art von Verblendung. Pfeil und Bogen bedeuten die Integration von männlich (Pfeil) und weiblich (Bogen). Ferner stehen sie für die zwei scheinbar entgegengesetzten Pole jeglicher Existenz: Leben (Pfeil) und Tod (Bogen).
Manchmal liegt Shiva in Ruhepose unter der Shakti. Damit gibt er zu erkennen, daß er sich in “kontemplativem Schlaf” ganz der Vereinigung mit Shakti hingibt. Er erscheint als der “große Asket” (mahayogin). Zum Zeichen der Reinheit und Lauterkeit seiner Übungen ist seine Haut “weiß wie Kampfer”. Er ist nur mit einem um die Lenden gewundenen Tigerfell bekleidet und hat eine Girlande aus abgeschlagenen Menschenschädeln um den Hals gewunden. Anstatt der üblichen Geschmeide wie Halskette, Arm- und Fußreifen ringeln sich an diesen Stellen Schlangen um den Körper. Die Schlange ist Symbol der schöperisch-sensuelle Kunda-lini-Kraft.
Eine Legende erklärt: Die heiligen Weisen des Himalayas (rishi) waren einmal sehr erzürnt über Gott, weil ihnen aus Liebe zu Shiva die Frauen davonliefen. Die Weisen taten sich daraufhin zusammen, um Shiva gemeinsam zu besiegen. Zu diesem Zweck schickten sie mit ihren magischen Kräften Giftschlagen und Tiger aus, die ihn töten sollten. Shiva neutralisierte jedoch die gegen ihn gerichteten Kräfte und machte sie sich zu eigen. Die Waffen dieser Weisen hält er seit jener Zeit selbst in den Händen: das Tigerfell ist sein Lendenschurz, die Schlangen sein Schmuck. Vielleicht kein Zufall, daß auch in unserem Kulturkreis die Schlange für sinnliche Kraft und Erkenntnis steht.
Wie Shakti verkörpert auch Shiva eine sehr alte vorarische Schicht indischer Religiosität. Er ist zwar schon lange den arischen Göttern wie Brahma und Vishnu gleichgestellt, hat sich aber trotzdem über die Jahrtausende seinen naturhaften Charakter bewahrt. Er ist immer noch den Stürmen, den Krankheitsepidemien und dem Tod viel näher als die anderen beiden großen Götter. Deswegen verkörpert er in der Trimurti (der Dreiheit von Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung) den Aspekt der Zerstörung. Außerhalb dieser Dreiheit besitzt er jedoch auch milde und friedvolle Züge. Er ist Helfer und Heiler der Wesen (pasupati) und trägt insgesamt 1008 Namen.
Shakti und Shiva ruhen auf einer Plattform, die in der Mitte von einem Sri Yantra getragen wird. Darin ist die Vereinigung von weiblicher und männlicher Energie, die sich im Bild in Göttin und Gott manifestiert, nochmals dargestellt – diesmal in abstrakter Form.
Das Sri Yantra besteht aus neun ineinander liegenden Dreiecken. Die vier nach oben zulaufende Dreiecke symbolisieren Kräfte, die in Shiva verkörpert sind; die fünf nach unten zulaufenden Dreiecke hingegen Kräfte der Shakti.
Was bewirkt Kularnava®-TANTRA? (von Lucian)
1. Reinigung
Zunächst wird der Körper gereinigt durch Körper- und Atemübungen sowie die richtige Ernährung. Er fängt dann mehr an zu leuchten und zu strahlen. Er kann viel Energie aufnehmen und transformieren.
2. Befreiung
Dann werden emotionale Hemmungen und Ängste abgebaut. Negative und selbstzerstörerische Denkgewohnheiten und Verhaltensweisen werden bewußt gemacht. Es passiert eine Dekonditionierung durch emotionale Befreiung und emotionalen Ausdruck. Jetzt kommen automatisch die “guten” spontanen und lebensbejahenden Impulse aus dem Inneren ans Tageslicht.
3. Konzentration
Der Geist wird maßvoll zu Ausdauer, Geduld und Konzentration geschult.
Anfachung des Inneren Feuers
Die Kraft der Emotionen, die vitalen und sinnliche Kräfte der unteren Chakren werden angefacht und in Fluß gebracht. So entsteht für jeden Lebensausdruck ein Kanal (Resonanz-Entsprechung) und genügend Energie.
Vereinigung und Ekstase
Momente des völligen Eins-Seins oder hundertprozentig im Fluß-Seins, ohne jedes Abgetrenntsein entstehen. Diese Art von Wonne ist die Erfüllung unseres Mensch-Seins. Wer sie einmal gekostet hat, vergißt sie nicht mehr und ein Teil dieser Erfahrung bleibt für immer und hat Dich für immer verwandelt.